1929 trat der damals erst 29jährige Paul Vogt seine zweite Pfarrstelle in Walzenhausen an. Wie die ganze Ostschweiz litt auch dieses Dorf im Appenzeller Vorderland unter der grossen Textilkrise. Paul Vogt reagierte rasch auf die bittere Not in seiner neuen Heimat. Er gründete 1931 ein Hilfswerk für Arbeitslose im Kanton Appenzell Ausserrhoden und organisierte, zunächst im Winterhalbjahr, Kurse vor allem für junge, ausgebildete Männer, um ihnen wieder eine Perspektive zu geben und suchte nach einem permanenten Standort für die Ausweitung des pionierhaften Projekts. Das Hilfsprogramm bestand aus Kursen mit den drei Themenbereichen Beschäftigung, Bildung und Sport, damals etwas ganz Neues.
Zunächst gab es einigen Widerstand. Erst mit der Zeit gelang es dem initiativen und unbeirrbaren Pfarrer durch den Erfolg seiner Kurse bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sich Respekt zu verschaffen. Früh mit ins Boot holen konnte er Clara Nef aus Herisau, die als herausragende Frau im appenzellischen Sozialwesen bekannt geworden ist. Anfangs 1933 gelang es Paul Vogt nach einer „Bettelaktion“ ein Stickerhämetli hoch über Walzenhausen zu erwerben. Daraus wurde das Gründerhaus der Institution Evangelisches Sozialheim Sonneblick.
Nun stand ein Standort für die Ausweitung des Projekts für ganzjährige Arbeitslosenkurse zur Verfügung. Mit der Herrichtung und dem Ausbau des Hauses und dem Bau einer Zufahrtsstrasse fand sich nun eine besonders nützliche interne Beschäftigungsmöglichkeit. Es kamen weitere Arbeitsmöglichkeiten im Dorf dazu, der Bau des Aussichtspunkts Steigbüchel samt Zugangsweg, die Sanierung der Ruine Grimmenstein bis zur Mithilfe beim Schwimmbad-Bau. Paul Vogt spannte im Bereich Bildung auch mit Fritz Wartenweiler zusammen, dem Begründer der Erwachsenenbildung in der Schweiz.
Beim Kriegsausbruch 1939 ist der Sonneblick-Gründer Paul Vogt schon nicht mehr Pfarrer in Walzenhausen, sondern hat in ein städtisches Umfeld nach Zürich-Seebach gewechselt. Er hat aber dort schon in der Vorkriegszeit zunehmend mit Flüchtlingen zu tun, die das Unheil kommen sahen und vor den Nazis Zuflucht suchten, teilweise auch nur mit Zwischenstation in der Schweiz und nachher weiterzureisen, zum Beispiel in die USA, um weit weg von Hitler und Konsorten in Sicherheit zu sein. Paul Vogt hatte schon früh enge Kontakte zur Bekennenden Kirche in Deutschland mit ihrem berühmtesten Exponenten, Dieter Bonhoeffer, und gründete 1937 ein Hilfswerk für verfolgte Mitglieder dieser kirchlichen Widerstandsbewegung. Er präsidierte dieses Hilfswerk auch und organisierte privat finanzierte Besinnungswochen im Sonneblick, wo man gemeinsam über die schwierige Situation nachdenken konnte. Dabei tauchte auch der Basler Karl Barth auf, einer der berühmtesten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts.
Von Zürich aus, schickte Paul Vogt nach Ausbruch des Krieges immer mehr Flüchtlinge an seinen früheren Wirkungsort in Walzenhausen. Es kamen auch Flüchtlinge direkt von St.Margrethen und über den Rhein. Der Mesmer der örtlichen Kirchgemeinde brachte sie (unter ihnen viele Menschen jüdischen Glaubens) in den Sonneblick, der so immer mehr zu einem eigentlichen Flüchtlingszentrum wurde, wobei vor allem auch die damalige Hausmutter Frieda Signer Grossartiges leistete. Schweizer Gäste gab es dafür immer weniger. Doch das Haus mit dem direkten Blick ins kriegstreibende Ausland war mit den Flüchtlingen mehr als gut besetzt und 1943 beschloss der Vereinsvorstand das (heute noch bestehende und genutzte) Gründerhaus mit einem Neubau zu vergrössern. Zusammen mit ortsansässigen Handwerkern legten insgesamt 73 Flüchtlinge aus nicht weniger als 14 Ländern Hand an und bauten das Haus in gut einem Jahr. Kurz nach dem Ende des Krieges konnte es im August 1945 durch den Theologen Karl Barth, dem bereits erwähnten Freund von Paul Vogt, eingeweiht werden.
Nach dem Krieg lud Gertrud Kurz, die schweizweit bekannte Flüchtlingsmutter, im Rahmen des Christlichen Friedensdienstes immer wieder Menschen zu Besinnungs- und Erholungswochen ein, die vom Kriegsschicksal und den Konzentrationslagern schwer gezeichnet und teilweise traumatisiert waren. So wurde Walzenhausen Schauplatz einer beeindruckenden Versöhnungs- und Friedensarbeit. Bis 1971, also ein Jahr vor ihrem Tod, führte Gertrud Kurz das Projekt weiter. So kamen auch Gezeichnete nach dem Algerienkrieg ins Appenzellerland. 1949 begannen auch Besinnungswochen für sogenannt „Trunkgebundene“ im Sonneblick, eine Pioniertat des Blauen Kreuzes, die über die Landesgrenze hinaus Nachahmung fand. Paul Vogt selber war zeitlebens abstinent.
1953 tat der Vereinsvorstand einen Glücksgriff indem er der Braunwalddiakonisse Margrit Wanner die Leitung der Häuser übertrug, eine als Übergangslösung erachtete Phase, die schliesslich über 30 Jahre dauern sollte. Schwester Margrit war eine hochgebildete und ebenso gütige wie strenge Hausmutter, die sich nicht scheute auch dem immer noch stark präsenten Paul Vogt die Stirn zu bieten, wenn sie es für nötig erachtete. Der Sonneblick entwickelte sich zu einem sehr beliebten christlichen Erholungshaus. Immer wieder öffnete man die Türen auch für neue Gruppen. Paul Vogt hatte Ideen und Schwester Margrit setzte sie beherzt und initiativ um. So fanden zunehmend Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung den Weg in den Sonneblick, aber auch Gehörlose.
Der Sonneblick wurde auch immer wieder baulich verändert und den neuen Bedürfnissen angepasst, so zum Beispiel mit einem Lifteinbau und der Errichtung eines Speisesaals sowie einer neuen Küche. Nebst Gruppen gab es zu dieser Zeit im Gegensatz zu heute auch Einzelgäste, Langzeitpensionäre und Familien.
1956 scheiterte der Volksaufstand in Ungarn gegen die kommunistischen Unterdrücker nach dem Einsatz russischer Panzer, und viele Betroffene aus dem osteuropäischen Land flüchteten in die Schweiz und wurden hier mit offenen Armen empfangen. So wurde der Sonneblick zum zweiten Mal ein Flüchtlingszentrum. Unter den Gästen waren auffallend viele kirchliche Mitarbeitende, die nach der willkommenen Auszeit denn auch meist wieder in ihre Gemeinden zurückkehrten, während viele ungarische Flüchtlinge aus anderen Berufen hier blieben und eine neue Heimat fanden.
Mit dem Wegzug von Schwester Margrit mit ihrer gesamten Hausgemeinschaft 1982 und dem Tod von Clara Nef und Paul Vogt, war Mitte der 1980er Jahre die beeindruckende Pionierzeit des Sonneblick abgeschlossen. Nachfolger – der Verein wurde bereits 1959 in eine Stiftung umgewandelt – hatten es teilweise schwierig oder standen sich mit unausgereiften und finanziell unmöglichen Projekten (Umbau in ein Dreistern-Hotel) selbst im Weg. Dazu kam, dass nun niemand mehr, wie zur Zeit der Diakonissen, bereit war, quasi für Gotteslohn zu arbeiten. 1994 kam es als Tiefpunkt sogar zur Schliessung des Sonneblicks, ein Jahr später dann glücklicherweise zur Wiedereröffnung, dank einer Gruppe initiativer Frauen, die sich nicht mit dem Ende der verdienstvollen Institution abfinden wollten. Es ging wieder aufwärts und die Häuser wurden wieder in Schuss gebracht.
Ab 1997 war Adrian Keller als Hausleiter für die Geschicke des Sonneblicks verantwortlich. Zusammen mit einem Team und dem Stiftungsrat im Hintergrund arbeitete er daran, Gästehäuser mit sozialer Zielsetzung anzubieten. Dank zahlreicher, teils sehr hoher und häufig anonymer Spenden ist es gelungen, gemäss dem Stiftungszweck ohne Gewinnzweck und im Sinne von Paul Vogt zu arbeiten und vielen Gästen einen angenehmen, erholsamen und lehrreichen Aufenthalt zu bieten.
Finanziell gab es aber auch immer wieder Engpässe und es drohte ein neuerliches Ende, vor allem als aus feuerpolizeilichen Gründen ein grösserer Umbau anstand, der 2,4 Mio. Franken verschlang. Dank überaus grosszügiger Spenden und Schenkungen konnte dieses grosse Projekt jedoch umgesetzt werden ohne das finanzielle Gleichgewicht zu gefährden. 29 zeitgemässe Zimmer mit 45 Betten standen nun zur Verfügung. Sie wurden genutzt vorwiegend von Gruppen im gemeinnützigen, sozialen und kirchlichen Bereich. Als eigenes Angebot wurden seit 1997 günstige Ferienwochen für Alleinerziehende mit Kindern angeboten. Zur grössten Anzahl Gästegruppen zählten die Menschen mit Behinderung, aber auch für Kurse, Seminare, Retraiten, Teamtage, Ausbildungen und Probewochenende standen die Häuser zur Verfügung. Der Umbau zahlte sich aus, die Gästezahl stieg wieder an, im ersten ganzen Jahr nach dem Umbau, während dem die Häuser zeitweilig geschlossen waren, wurde 2014 die Rekordzahl von 4700 Logiernächten gezählt.
Nach dem Entscheid des Stiftungsrates vom März 2016 auf die Anfrage des Kantons Appenzell Ausserrhoden zur Vermietung der Häuser für die Einrichtung eines Durchgangszentrums für Asylsuchende ab 2017, galt es mit einiger Wehmut Abschied zu nehmen, von einem Konzept, das aufging und sich immer besser entwickelte. Nicht nur das Team, auch viele treue Gäste mussten sich damit abfinden. Neue Menschen klopften an, die die Unterkünfte dringender brauchen, haben sie doch eine lebensgefährliche Flucht vor Krieg und Not hinter sich.
Nachdem die Gemeinde die notwendige Baubewilligung zunächst verweigert hatte, entschied schliesslich nach einem langen Instanzenweg im Mai 2020 das Bundesgericht den langwierigen Rechtsstreit mit Anwohnern endgültig und wies auch die letzte Beschwerde ab, womit das Asylzentrum realisiert werden kann. In der letzten Februarwoche 2021 konnte das Asylzentrum Sonneblick eröffnet werden. Die Stiftung bleibt bestehen und will nicht nur Vermieterin sein, sondern die Asylsuchenden in Absprache mit den Betreibern nach Möglichkeit unterstützen, beispielsweise mit Aktivitäten zur Integration.